Mein erster Stopp des Rechercheworkshops war die Zentrale von IJAB, der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V.. Unter anderem informiert der Verein Jugendliche, wie sie am besten ins Ausland gehen können, und welche Möglichkeiten es dafür gibt. „Das macht bei uns Eurodesk“ erklärte Pressereferent Christian Herrmann.
Anwesend war auch Robert Helm-Pleuger von Eurodesk, einem europäischen Informationsnetzwerk zu Auslandsaufenthalten. Egal ob es um ein Auslandsstudium in den USA oder einen Freiwilligendienst in Südafrika geht, Eurodesk habe immer die passenden Informationen zur Hand, sagte Helm-Pleuger.
Am auffälligsten fand ich, dass es in Deutschland so viele solcher Beratungsangebote und Auslandsprogramme gibt. Als ich noch in den Niederlanden wohnte, habe ich viel weniger über Austauschprogramme gehört. Helm-Pleuger bestätigte das: In Deutschland gehen zum Beispiel viel mehr Schüler für ein Jahr in die USA, sagte er. Es werden pro Jahr rund 10.000 Visaanfragen für Schulaufenthalte in den USA von Deutschen gestellt, sagte Helm-Pleuger. Auf dem zweiten Platz stehen die Chinesen mit rund 2.000 Anfragen, und auf den dritten die französischen Schüler mit rund 400 Anfragen.
Deutschland ist also Weltmeister in Auslandsaufenthalten für Jugendliche, die vom Staat organisiert oder finanziert sind. Davon können andere Länder noch was lernen!
Frauen und Abiturienten gehen am meisten ins Ausland
Erschreckend fand ich die Statistiken darüber, welche Jugendliche sich bei Eurodesk über einen Auslandsaufenthalt informieren. Auch wenn sie nicht wirklich überraschend waren:
- 49% der Anfragen kommen von jungen Frauen. Nur 29% kommen von jungen Männern, der Rest stammt hauptsächlich von Menschen, die mit Jugendlichen arbeiten und von Eltern. Warum das so ist? Vielleicht spielt es eine Rolle, dass junge Männer bis vor kurzem Wehrpflicht hatten, denkt Herrmann. Oder hat es damit zu tun, dass Mädchen öfter Sprachen lernen.
Quelle: Eurodesk
- 68% der Jugendlichen, die eine Anfrage stellen, haben Abitur. Nur 7% der Anfragen kommen von Jugendlichen mit einem Realschulabschluss, und nur 2% von Jugendlichen mit einem Hauptschulabschluss.
Quelle: Eurodesk
Chancenungleichheit
Anhand dieser Zahlen wurde mir nochmal klar, wie ungleich die Chancen verteilt sind. Junge Menschen aus gebildeten Schichten in den großen Städten (wie ich selbst auch) sehen sich manchmal mit Chancen übersäht und geraten in Stress, weil sie Angst haben, etwas zu verpassen. Demgegenüber gibt es viele, die desillusioniert sind, weil sie für sich keine Möglichkeiten sehen. Auch wenn es bitter ist: bei mir hat es dazu geführt, meine eigenen Sorgen zu relativieren.
IJAB und Eurodesk arbeiten daran, auch Jugendliche aus den ‚Auslandsaufenthaltfernen‘ Gruppen über ihre Möglichkeiten zu informieren. Am interessantesten fand ich das Programm ‚Kommune goes International‘ (nur der Name ist etwas sperrig), bei dem Jugendliche mit Migrationshintergrund ihre deutschen Freunde mit in ihr Heimatland nehmen. So können sie davon profitieren, dass sie einen internationalen Hintergrund haben, statt dass dieser immer nur als Defizit gilt. Es ist zu hoffen, dass diese und andere Programme Effekt haben.
Text: Josta van Bockxmeer